Lerntherapie-Finanzierung vom Jugendamt: Antrag und Zulassung nach § 35a SGB VIII – Ratgeber für Therapeuten und Eltern

Integrative Lerntherapie kann über das Jugendamt finanziert werden – unter bestimmten Voraussetzungen nach § 35a SGB VIII. Voraussetzung ist eine diagnostizierte Lernstörung, die zu einer drohenden oder bereits bestehenden seelischen Behinderung führt und dadurch die gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigt. Doch wie läuft der Antrag konkret ab? Welche Nachweise sind erforderlich? Und welche Vor- oder Nachteile hat eine Finanzierung über das Jugendamt im Vergleich zur privaten Bezahlung?

Karolina Altenburger ist Integrative Lerntherapeutin (IFLW), leitet die Praxis „Kleine Einsteinschule“ in Nürtingen-Oberensingen und ist vom zuständigen Landratsamt offiziell als Anbieterin für Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zugelassen. Wir haben mit ihr über den Ablauf der Antragstellung, die Rolle des Jugendamts und verschiedene Modelle zur Kostenübernahme in der Lerntherapie gesprochen.

Interview: Finanzierung von Lerntherapie über das Jugendamt

Christine Falk-Frühbrodt: Frau Altenburger, Sie sind selbstständige Integrative Lerntherapeutin (IFLW) und rechnen Ihre Leistungen mit dem Jugendamt ab. Wie kam es dazu?

Karolina Altenburger: Ich habe mich beim Jugendamt als Anbieterin für ambulante Hilfen nach § 35a SGB VIII listen lassen, damit auch Kinder aus finanziell schwächeren Familien Zugang zu Lerntherapie haben. Mir ist Chancengleichheit sehr wichtig – und das ist mein Beitrag dazu.

Christine Falk-Frühbrodt: Was war für die offizielle Zulassung als Lerntherapeutin erforderlich?

Karolina Altenburger: Ich musste einen Antrag beim zuständigen Jugendamt stellen und meine fachliche Qualifikation nachweisen. Das umfasste mein Studium der Pädagogik und Soziologie sowie meine Zusatzausbildung zur Integrativen Lerntherapeutin beim IFLW. Zusätzlich hatte ich bereits eine Zulassung bei einer Krankenkasse im Bereich Prävention, was sicherlich geholfen hat. Auch geeignete Praxisräume waren Voraussetzung. Der gesamte Prozess inklusive einer abschließenden Prüfung vor Ort dauerte fast zwei Jahre.

Christine Falk-Frühbrodt: Wie viele Ihrer Klientinnen und Klienten werden über das Jugendamt finanziert?

Karolina Altenburger: Derzeit etwa 70 Prozent. Viele Familien starten zunächst als Selbstzahler, weil die Antragstellung eine gewisse Zeit dauert. Ich unterstütze die Eltern in dieser Übergangsphase und helfe beim Antragsprozess.

Christine Falk-Frühbrodt: Und wie sieht es mit reinen Selbstzahlern aus?

Karolina Altenburger: Auch die gibt es. Sie machen aktuell rund 30 Prozent aus. Manche buchen einzelne Module wie Konzentrationstraining, Brain-Gym oder Prüfungsvorbereitung. Bei Prüfungsangst arbeiten wir z. B. mit Autogenem Training oder Atemtechniken. Diese Bausteine sind wertvoll, gehören aber meist nicht zu den Leistungen, die das Jugendamt im Einzelnen übernimmt.

Christine Falk-Frühbrodt: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Unterschiede zwischen Privatzahlung und Jugendamtsfinanzierung?

Karolina Altenburger: Bei privater Finanzierung kann ich ohne Wartezeit oder Papierkram sofort loslegen. Das ist gerade bei akuten schulischen Problemen hilfreich. Die Finanzierung über das Jugendamt entlastet die Familien finanziell, erfordert aber Geduld und viel Verwaltungsarbeit. Oft braucht es Förderpläne, Zwischenberichte, Abschlussdokumentationen, die natürlich Zeit kosten.

Christine Falk-Frühbrodt: Diese Zusatzleistungen wie Berichte oder Elterngespräche – werden die vergütet?

Karolina Altenburger: Das hängt vom Landkreis ab. In meiner Praxis mache ich keinen Unterschied bei der Betreuung. Ich erstelle Therapiepläne und Berichte für alle Kinder – egal, ob gefördert oder nicht. In manchen Regionen wie Reutlingen oder Stuttgart lassen sich Elterngespräche und Kontakte mit Lehrern zusätzlich abrechnen. In Esslingen gibt es eine monatliche Pauschale, unabhängig vom tatsächlichen Aufwand. Das sind aktuell 223 Euro pro Kind.

Christine Falk-Frühbrodt: Wer legt die Honorarsätze fest?

Karolina Altenburger: Die legt das jeweilige Jugendamt fest, nicht der Therapeut. In Esslingen gibt es eine Pauschale, in anderen Landkreisen wie Reutlingen wird nach tatsächlich geleisteten Stunden abgerechnet. Manchmal müssen die Eltern zusätzlich einen kleinen Eigenanteil übernehmen. Das wird aber individuell geprüft.

Christine Falk-Frühbrodt: Vielen Dank für die Einblicke in Ihre Praxis, Frau Altenburger! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrer „Kleinen Einsteinschule“ in 72622 Nürtingen-Oberensingen.

Hinweis für Eltern: So erfahren Sie, ob Lerntherapie in Ihrem Fall gefördert wird

In Deutschland gibt es rund 580 Jugendämter. Jedes entscheidet eigenständig. Ob und in welchem Umfang Lerntherapie gefördert wird, hängt vom jeweiligen Jugendamt ab. Holen Sie daher frühzeitig eine Auskunft beim zuständigen Jugendamt Ihrer Stadt oder Ihres Landkreises ein.

Häufig gestellte Fragen zur Finanzierung von Lerntherapie nach § 35a SGB VIII

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